Künstliche Intelligenz auf der Couch – kann eine Maschine wirklich so einfühlsam sein wie ein menschlicher Therapeut? Eine neue Studie zeigt, dass viele Menschen den Unterschied nicht mehr erkennen.
Mensch oder Maschine? Eine überraschende Erkenntnis
Der Turing-Test, benannt nach Alan Turing, gilt als Maßstab für maschinelle Intelligenz: Erkennt ein Mensch nicht, ob sein Gesprächspartner eine KI oder ein Mensch ist, hat die Maschine den Test bestanden. Genau das ist nun im Bereich der Psychotherapie geschehen.
In einer aktuellen Studie mit 830 Teilnehmern wurde untersucht, ob Menschen therapeutische Antworten von ChatGPT von denen erfahrener Therapeuten unterscheiden können. Das Ergebnis: Die korrekte Identifikation der Antworten lag nur knapp über dem Zufallsniveau – ein Hinweis darauf, dass KI in der Lage ist, therapeutische Gespräche auf einem hohen Niveau zu simulieren.
KI als empathischer Therapeut?
Besonders bemerkenswert ist ein weiteres Ergebnis: Die Antworten von ChatGPT wurden nicht nur als vergleichbar, sondern in vielen Fällen sogar als einfühlsamer bewertet. In den Kategorien Empathie, therapeutische Allianz und kulturelle Sensibilität schnitt die KI besser ab als ihre menschlichen Kollegen.
Woran liegt das? Die Forscher vermuten, dass ChatGPTs Antworten länger, strukturierter und positiver formuliert waren. Zudem verwendete die KI mehr beschreibende Sprache, was möglicherweise für einen glaubwürdigeren, verständnisvolleren Eindruck sorgte.
Doch Skepsis bleibt – Menschen bevorzugen Menschen
Trotz dieser vielversprechenden Ergebnisse gibt es eine interessante Wendung: Wenn Teilnehmer wussten oder vermuteten, dass eine Antwort von einer KI stammte, bewerteten sie diese schlechter. Die besten Bewertungen erhielten KI-Antworten dann, wenn die Teilnehmer dachten, sie stammen von einem Menschen.
Diese Erkenntnis zeigt, dass viele Menschen nach wie vor ein grundlegendes Misstrauen gegenüber KI in der Psychotherapie haben – auch wenn sie die Qualität der Antworten unbewusst höher einschätzen.
Welche Zukunft hat KI in der Psychotherapie?
Die Studie weist jedoch auch auf Einschränkungen hin. Sie untersuchte nur kurze, hypothetische Therapieausschnitte und konzentrierte sich auf den Bereich der Paartherapie. Ob sich diese Ergebnisse auf andere therapeutische Felder übertragen lassen, bleibt unklar.
Trotzdem zeigt sich ein klarer Trend: Der Einsatz generativer KI in der Psychotherapie wird zunehmen. Experten für psychische Gesundheit sollten sich daher mit diesen Systemen auseinandersetzen und deren verantwortungsvolle Nutzung sicherstellen.
Was bedeutet das für die Zukunft?
Frühere Untersuchungen bestätigen das Potenzial von KI in beratenden Rollen. Eine australische Studie ergab beispielsweise, dass ChatGPTs Ratschläge zu sozialen Dilemmata als ausgewogener und durchdachter empfunden wurden als die von menschlichen Ratgeber-Kolumnisten. Dennoch bevorzugen die meisten Menschen nach wie vor einen menschlichen Ansprechpartner.
Die Forschung steht noch am Anfang. Wissenschaftler der Stanford University und der University of Texas warnen davor, KI als Ersatz für Therapeuten zu betrachten. Ihnen fehlt eine echte „Theory of Mind“ – die Fähigkeit, die Gedanken und Emotionen anderer Menschen wirklich zu verstehen. Umso wichtiger ist eine verantwortungsvolle Weiterentwicklung dieser Technologie.
KI als Berater, nicht als Ersatz
Die Ergebnisse der Studie zeigen eindrucksvoll, wie weit KI heute schon ist – und wo ihre Grenzen liegen. Während Maschinen zunehmend überzeugende therapeutische Antworten liefern, bleibt der Mensch als Gesprächspartner unersetzlich. Die beste Lösung könnte ein hybrides Modell sein, in dem KI unterstützend eingesetzt wird, während die eigentliche Therapie in menschlichen Händen bleibt. Wohin die Reise geht, bleibt spannend. Aber eines ist sicher: Die Rolle der KI in der Psychotherapie wird weiter wachsen.