Künstliche Intelligenz kann nicht nur Texte oder Bilder erzeugen – sie hat nun auch erstmals Viren entwickelt. Welche Chancen und Risiken stecken hinter diesem Meilenstein?
Forscher der Stanford University und des Arc Institute haben eine KI eingesetzt, die eigenständig funktionierende Genome für Bakteriophagen entwarf. Mehrere dieser Viren konnten sich tatsächlich vermehren und Bakterien abtöten. Die Wissenschaftler sprechen von einem „ersten generativen Design vollständiger Genome“.
Besonders eindrucksvoll: Von 302 von der KI entworfenen Genomvarianten erwiesen sich 16 als funktionstüchtig. Unter dem Mikroskop bestätigten sich die winzigen Viruspartikel, die aktiv in E.-coli-Bakterien eindrangen. Für Projektleiter Brian Hie war der Moment, in dem die ersten Bakterienkolonien abstarben, ein Schlüsselerlebnis.
Doch es gibt auch mahnende Stimmen: Experten wie Craig Venter sehen in der Methode vor allem eine extrem beschleunigte Variante klassischer Trial-and-Error-Experimente. Die Geschwindigkeit sei zwar beeindruckend, gleichzeitig aber auch ein Risiko. Denn in den falschen Händen könnte die Technologie genutzt werden, um gefährliche Viren für Menschen zu erzeugen.
Neben diesen Bedenken bietet die Entwicklung auch Potenzial für Medizin und Landwirtschaft. Künftig könnten maßgeschneiderte Viren als Therapie gegen bakterielle Infektionen oder als Schutzmittel gegen Pflanzenkrankheiten dienen. Auch Gentherapien könnten von effizienteren Virus-Vektoren profitieren.
Noch ist die Forschung am Anfang. Ob KI auch komplexere Genome entwerfen kann, etwa für Bakterien oder gar höhere Organismen, bleibt offen. Fachleute wie Jason Kelly von Ginkgo Bioworks sind überzeugt, dass automatisierte Labore mit KI eines Tages diese Grenzen verschieben könnten – ein Wettlauf, den die USA nicht verlieren wollen.